Ich kann`s euch nicht ersparen….
noch ein Rückblick auf 2020
(aus dem Schwenker 1/2021)

Früher war der Lebensmittelkauf die Höchststrafe, die meine Frau gegen
mich verhängen konnte. Allerdings seit unsere zwei Enkel bei uns leben,
ist der Einkauf besser als die Verleihung eines Ordens. So freute ich mich
auch, als ich am 23.Dez. losgeschickt wurde. Bei nicht zufriedenstellender
Wetterlage bin ich gegen 9:00 Uhr Richtung Supermarkt aufgebrochen.
Die Liste, die mir Gudrun gegeben hat erinnerte mich an die endlosen
Schriftrollen des Alten Testaments. Aber zu diesem Zeitpunkt sah ich der
Sache noch recht entspannt entgegen. So naiv sind wir Männer halt. Nach
einer Fahrt von knapp einer Stunde (für etwa acht Kilometer) gelang es mir,
mein Auto in einer für die Fahrzeuggröße eigentlich viel zu kleiner Parklücke
abzustellen. Am Horizont war der Supermarkt schemenhaft schon zu
erkennen. Als ich dort ankam, erklärte mir ein freundlicher Weihnachtsmann,
dass dies nur die Campingabteilung ist und der Lebensmittelmarkt hinter dem
Parkplatz liegt. Mein Geldbeutel wiegt so um die acht Kilo, aber eine passende
Münze um den Einkaufswagen von der Herde zu trennen, fehlte natürlich. Da
so gut wie Weihnachten ist, beschenkte mich eine junge Frau, die offensichtlich
meine Miesere erkannte mit einem Baumarktwagenchip. In der
Lebensmittelabteilung herrschte Ausnahmezustand. Alles rennt, stößt und
grapscht, trotz Coronaregeln. Ich stelle meinen Wagen in die letzte freie Ecke
und nutzte ihn als Basislager. Die erste Ansprechpartnerin in dem Laden ist
Frau Cherbunska. Ich frage sie nach den Hasenkeulen vom Angebot. „Wir nix
haben Hasenkeulen“. Dabei beäugte sie mich als hätte ich nach Menschenfleisch
gefragt. Als nette Verkäuferin ruft sie aber sicherheitshalber ihrer Kollegin zu, als
ob sie einen Notarzt alarmieren wollte: „Andrea, Hasenkeulen bei dir?“ Und da
geschieht das Weihnachtswunder. Frau Andrea Liebich lächelt mir freundlich zu
und winkt mich herbei. Sie bahnt sich einen Weg durch den Markt und ich versuche
in ihrem Windschatten zu bleiben und mich nicht abhängen zu lassen. Dabei denke
ich noch, das muss die Weihnachtsfee persönlich sein. Allerdings werde ich in
diesem Augenblick aus meinem Traum gerissen. Das in Endlosschleife gespielte „Oh
du fröhliche“ wird von der Ansage: „Frau Liebich, Apparat 23 bitte“ unterbrochen.
So eilen wir gemeinsam zum Telefon. Sie nimmt ab und: „Ach du bist’s Hans. Du
sollst mich nicht auf Arbeit anrufen. Ja, ich bin auch schon ganz wild auf dich aber
es geht jetzt…“. Endlich ist es bei mir angekommen, dass die Fee mir winkt, allerdings
in die Richtung „verschwinde“. Plötzlich war alles wie vorher. Ok zugegeben, ich
hatte zumindest die Richtung in der die Hasenkeulen sein müssten. Ich hab dann
das meiste von der Papyrusrolle meiner Frau gefunden und schob nun meinen Wagen
zu Kasse 86. Nach gut vierzig Minuten war ich dran. Eine lustsose Aushilfe mit
mehrfarbigen Haaren, die aussahen als wäre ein chemisches Experiment fürchterlich
daneben gegangen, meinte dann: „Hey Alter 386,54 Euro. Nun, niemand geht mit
386,54 Euro im Geldbeutel einkaufen. Das Kartensystem funktioniert heute leider
wegen Überlastung nicht. Also muss ich an den Geldautomat im Eingangsbereich.
Das kostet mich zwar rund fünf Euro Gebühr aber das eigentliche Problem war, dass
ich einer älteren Dame vor mir, gefühlte zehn Minuten lang erklären musste, dass es
an diesem Automaten keinen Kaffee gibt. Zurück an der Kasse 86, wurde ich mit
finsteren Blicken empfangen. Einige Leute in der Schlange suchten bereits nach
harten Dingen, mit denen sie mich bewerfen könnten. Jetzt dachte ich, das
Schlimmste sei geschafft. – Denkste – ! Zu Hause angekommen verräumte ich
gemeinsam mit Gudrun die Einkäufe. Und dann kam’s. Meine liebe Frau eröffnete
mir, dass sie extra wegen mir die ganzen vier Stunden gewartet hat, damit wir
uns gemeinsam die Trilogie „Sissi“ anschauen könnten.
Doch danach wurde es Weihnachten. Und der Silvestereinkaufshorror war
noch weit weg.

Uli